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24. Januar 2022 09:30

Tabakwerbung – Mythen und Wahrheiten

Betrachten wir doch die Frage der Beeinflussung von Jugendlichen durch Werbung für einmal aus Sicht der Tabakindustrie anstatt aus der Sicht wissenschaftlich unabhängiger Studien. Alle grossen globalen Unternehmen von Verbrauchsgütern wie Zigaretten investieren massiv - bis zu 20% - des Umsatzes in Werbung. Warum tun Sie das?

Das Rauchverhalten eines bereits Süchtigen, also die Anzahl gerauchter Zigaretten pro Tag ist abhängig von Faktoren wie Suchtausprägung, Stress, persönlichem Umfeld etc., die die Werbung wenig beeinflussen kann. Auch zeigen RaucherInnen eine hohe Markenbindung, bleiben also einer Marke für die sie sich früh entscheiden oft lebenslang treu. Marktanteilsteigerungen, also den Konkurrenzunternehmen bereits rauchende Kunden durch Werbung abzujagen macht in diesem Kontext wenig Sinn.

Das Ziel in einem stagnierenden Markt wie der Schweiz muss Wachstum heissen, den Gesamtkuchen grösser machen, mehr Zigaretten verkaufen. Es kann keine andere Strategie geben als Rauchanfänger zu bewerben. Diese sind nun mal mit 60-70% Jugendliche und dazu ist die schicke E-Zigarette mit Mango Geschmack hervorragend geeignet.

Die Tabakkonzerne machen natürlich auch ihre eigenen Studien, veröffentlichen diese aber nicht. Und aufgrund dieser Studien stecken die Konzerne Milliarden in die Tabakwerbung. Muss man nicht den wirklichen Einfluss der Tabakwerbung anhand der Wichtigkeit der Werbung für die Tabakkonzerne messen? Oder warum sollten diese sonst so viel dafür Geld ausgeben?

Mythos 1: Werbung ist zur Information und dient nicht der Gewinnung neuer Kundinnen und Kunden

Man muss wohl viel Phantasie aufbringen, um einen Informationsgehalt in Tabakwerbung zu entdecken - ich schaffe dies leider nicht. Alle grossen globalen Unternehmen investieren massiv - bis zu 20% - des Umsatzes in Werbung. Bei sogenannten täglichen Verbrauchsgütern wie Zigaretten geschieht dies aus einem Grund – Wachstum. Für Tabakkonzerne heisst dies Marktwachstum zu erzeugen in einem stagnierenden Tabakmarkt wie dem der Schweiz und da ziehen alle Konzerne an einem Strang. Den Kuchen grösser machen (Marktwachstum) oder mindestens gleich gross zu halten kann man nur durch die Gewinnung neuer KonsumentInnen. Die wie so oft behauptete Marktanteilsteigerung, also den Konkurrenten Anteile abjagen, macht nur Sinn in einem wachsenden Markt. Die Tabakindustrie braucht ausserdem den Nachwuchs, da ihr die Rauchenden frühzeitig wegsterben und deshalb muss sich die Werbung geschickt an Jugendliche wenden – sie sind die heiss umkämpfte Gruppe.

Mythos 2: Werbung richtet sich nur an Erwachsene.

Diese muss man logischerweise bei der Entstehung beeinflussen. Der Verbrauch, also die Anzahl gerauchter Zigaretten pro Tag oder Woche, lässt sich bei den aktuell Rauchenden nicht oder kaum durch Werbung steigern. Das Rauchverhalten ist abhängig von der Suchtausprägung, Faktoren wie persönliches Umfeld, Stress etc. – allesamt Faktoren die sich der Beeinflussung durch Werbung entziehen. Deshalb macht Werbung für die Tabakkonzerne nur dann Sinn, wenn mit dem Rauchen begonnen wird und das ist früh – sehr früh. Die überwiegende Anzahl aller RaucherInnen fangen im Alter von ca. 15 Jahren an zu rauchen – also muss man diese Gruppe gezielt bewerben, damit sie sich für eine Marke entscheiden und so zu treuen und süchtigen Kunden werden. Es kann also für die Tabakkonzerne keine andere Strategie geben als Kinder und Jugendliche zu bewerben.
Betrachtet man sich nun die finanziellen Interessen, dann ist es erklärbar, warum der Schweizer Werbe und Auftraggeberverband(SWA), Medienunternehmen und natürlich die Tabakindustrie sich gegen einen wirklichen Kinder – und Jugendschutz stellen und ein Tabakproduktegesetz unterstützen, das dort Werbung einschränkt, wo sowieso niemand mehr Tabakwerbung macht oder auch jetzt schon nicht mehr machen darf. Also muss dort reguliert werden, wo die Jugendlichen der Werbung ausgesetzt sind und das sind die sozialen Medien (Influencer), Internet und die Gratisprintmedien.

Und das will die Initiative tun - nicht mehr und nicht weniger- und dazu ändert die Initiative lediglich das Tabakproduktegesetz in diesen Punkten ab und somit kann bei Annahme der Initiative ein wirklicher Kinder- und Jugendschutz etabliert werden, der sofort seine Umsetzung findet ohne langwierige parlamentarische Prozesse.

Um das Votum abzuwägen muss man sich letztendlich aber nur eine Frage stellen - welchen Verlust erleiden wir als Gesellschaft, wenn Tabakwerbung, die Jugendliche erreicht, verschwindet – auch dazu fehlt mir und 20.000 von täglicher Sauerstoffzufuhr abhängigen und vormals rauchenden LungenligapatientInnen die Phantasie. Diese Phantasie ist allerdings mit den Gegnern der Initiative durchgegangen und gipfelt in einem pietätlosen und verharmlosenden Vergleich mit der Cervelat, die ich nun mit Genuss und nach erfolgreicher Werbung durch eine grosse Schweizer Supermarktkette im Familienkreis grillieren werde.

Dr. med. Jörg Spieldenner, Direktor Lungenliga Schweiz